Kaum tritt die Eine in den Hintergrund, wird eine andere Krise präsentiert. Als empathische Wesen lässt uns das Leiden anderer natürlich nicht kalt. Doch wie viel Krisenkonsum ist noch gesund?
Mit Krisenkonsum meine ich die allabendliche Berieselung stark gekürzter und bereits mundfertig von allerlei Experten eingeschätzte Newsfetzen, die nichts anderes tun, als die Aufmerksamkeit des immer dumpfer werdenden Zuschauers zu fangen. Mehr Tod, mehr Blut, mehr Bomben, ein betrübtes Politikergesicht und dann kommt der Sport. So schnell wie die Tagesschau ihre News raushaut, kann unser Unterbewusstsein nicht arbeiten. Und es wird die Informationen verarbeiten, ob wir wollen oder nicht!
Am nächsten Morgen im Büro werden wir dann vor dem Kaffeevollautomaten vom Kollegen direkt über die brisanten Neuigkeiten befragt. Im Dämmerzustand aus Koffeinmangel und einem Unterbewusstsein, das von all dem Gräuel noch total überfordert ist, rezitieren wir dann die uns präsentierte Meinung des Medienformates; genau wie wir es früher mit dem auswendig gelernten Kapitel der Tobi Fibel getan haben. Nur, dass es bei den Tobis weniger Bomben gab. Wiederholen wir diesen Vorgang ohne Zeit zum Verarbeiten, Reflexion und mentalem Abstand, wird schon in kurzer Zeit die eigene Haltung zum Thema, kaum mehr von jener der konsumierten Medien abweichen; geschweige denn von jener zu unterscheiden sein. Über den Flimmerkasten kommts rein und durch den Mund beinahe unverändert wieder heraus; nur jetzt mit dem Label der eigenen, selbstverständlich reflektierten Meinung. Kommt jemand mit anderer oder unparteiischer Meinung daher, wird dieses Individuum meist als Gefährdung des so sachte aufrechterhaltenen Selbstbildes erkannt und dementsprechend bekämpft.
Das Resultat: Es gibt nur die eine korrekte Meinung!
Nicht nur das, aber wir werden nicht mehr gefordert, über den eigenen Neusprech zu reflektieren. Dann würden wir vielleicht feststellen, dass wir doch nicht so reflektiert bzw. sattelfest im Thema sind. Mir persönlich erscheint es angenehmer, mit jemandem zu sprechen, der zugibt, über ein Thema nicht viel zu wissen, statt in einer sehr angestrengten Atmosphäre unverdauten Meinungsbrei abzukriegen. Ausserdem trennt uns der Fokus auf das Anpassen und möglichst korrekt Sein, von den eigenen Gefühlen. Genau Gefühle: Jene Impulse, zu denen viele von uns keinen Zugang mehr haben, genau, weil sie sie immer ignorieren.
Krisenkonsum hilft keinem
Sich zu informieren ist eine Sache, sich aber immer wieder mit den neusten Kurznews abzulenken, nur um ein kleines High zu kriegen, eine ganz andere. Wer kannte wirklich die Absichten Gaddafis in Lybien, die Bedenken Putins im Ukrainekonflikt oder hatte ein Interesse an beiden Seiten des Coronagrabens? Wie schon gesagt: Die Ereignisse auf der Weltenbühne lassen uns nicht kalt, doch ein so unmündiger Konsum gleicht eher einem Aufgeilen statt einer wirklich empathischen Handlung, die den Betroffenen wirklich helfen würde. Die erzeugten Emotionen lassen uns wieder das Leben spüren, das wir mit so sehr in uns zu unterdrücken versuchen. Wut, Angst, Ekel und Erregung bringen Quoten, den Politikern stimmen, den Betroffenen aber rein gar nichts. Wieviele "Besorgte" mühen sich tatsächlich um spenden oder das Schaffen einer Plattform für die Diskussion um effektive Lösungen?
Ich verstehe nur allzu gut die Sogwirkung eines solchen Themas, vor allem dann, wenn die Krise die eigene Peripherie durchkreuzt. Ein guter Freund erzählte mir von den Drohungen gegen die israelische Eurovisonteilnehmerin Eden Golan und wie sehr es ihn betrübt, dass Menschen plötzlich die Schlachtrufe der Hamas brüllen. Vor allem, jene, die zuvor sonst jede andere Meinung in die rechte oder antisemitische Ecke drängten. Er selbst ist Jude, aber in christlichem Umfeld aufgewachsen. Auch mich liess der pure Hass gegen "jeden, der nun jüdisch ist" nicht kalt, doch ich überlegte und antwortete ihm Folgendes:
"Ich verstehe deine Gefühle nur zu gut, auch mich trifft die Not beider Seiten. Dennoch halte ich eine gewisse Distanz zum Thema. Nicht um es zu verdrängen, sondern weil ich aktuell nichts für die eine oder andere Seite tun kann." In Rage gegen eine Gruppe auszurufen und Menschen zu bekämpfen, die ausser der Glaubensrichtung oder Nationalität nichts mit dem Konflikt zu tun haben, schafft nur mehr Probleme, als es löst. "Du tust am meisten für die Menschheit, wenn du deinen inneren Frieden aufrechterhältst. Genau dann strahlst du eine Ruhe aus, in der sich auch deine Mitmenschen von ihrer eigenen Aufregung entspannen können, um so wieder in Klarheit zu sich zu kommen. Nur aus dieser besonnenen Klarheit heraus können wir Entscheidungen treffen, die wirklich auch das bewirken, was wir ursprünglich wollten: Frieden zu schaffen, Not zu lindern und zukünftige Krisenherde zu vermeiden."
Dieser Freund und ich kultivieren den Frieden übrigens nicht nur in uns, sondern auch auf unseren Tellern. Mit einer einfachen Entscheidung zur pflanzlichen Ernährung unterstützen wir das Schlachten, Kükenschreddern(Eier), Urwaldroden und Kindwegnehmen(Milch) in keinster Weise mehr. Auch das ist Friedensaktivismus gegen einen Gräuel, der schon lange nicht mehr nötig wäre, doch immer noch jeden Tag bei uns stattfindet; verdrängt aus den Köpfen und verborgen in fensterlosen Industriegebäuden.
Zur Klärung: All unsere Taten haben Auswirkungen auf die Welt. Jeder/jede kann etwas tun. Ihr helft den anderen Menschen wirklich schon sehr dabei, wenn ihr ehrlich mit euch selbst seid, eure Gefühle und Bedürfnisse klar kommuniziert und dann nicht mit vollkommen unterdrückten Emotionen zur Arbeit kommt, wo euch jeder zusätzliche Fitzel platzen lässt. Für die Mitarbeitenden ist das sehr unangenehm, da sie dann denken, sie hätten etwas fundamental falsch gemacht. Das ist noch viel effektiver als NUR das Kaufen von ökologisch besseren Alternativen, da wir viel mehr zwischenmenschliche Situationen haben, als wir Dinge kaufen. Ich gebe hier lediglich Beispiele, was man tun kann und verurteile niemanden, wenn er/sie es nicht tun kann; es gibt immer Gründe dafür.
Es klingt so abgelatscht: Bei sich selbst die Veränderung zu beginnen ist der wirkungsvollste Akt, den wir vollziehen können. Aus dieser gefestigten Basis heraus können wir die Kraft zum Wandel im Aussen erzeugen. Werde zum lebenden Beispiel des Friedens und des In-sich-Ruhens. Frage dich: Was kann ich lassen und wann ist es wirklich Zeit zu agieren. Es ist das Bewusstwerden der eigenen Lebenskraft, des Fokus und deren Auswirkungen auf uns und unsere Mitwelt. Du wirst erkennen, dass mit etwas Übung, deine Wirkung immer grösser wird, dein Aufwand aber gegen proportional weniger; du hast gelernt, dort einen Energieimpuls zu setzen, wo es ihn am meisten braucht. Genau wie ein Biber, der mit einem simplen Damm ein ganzes Tal verändert. Er baut ihn nicht irgendwo, sondern dort, wo er mit dem kleinsten Aufwand seine Burg errichten, das Wasser stauen und so das Leben erblühen lassen kann. Er ist ein grosser Lehrmeister der Naturgestaltung; eine Naturgestaltung, die seinen Lebensraum besser zurücklässt, als er ihn vorgefunden hat.
Denk mal darüber nach!
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Foto von Brian McGowan auf Unsplash
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